Roman Lampenfieber: 7. Kapitel

Hendrik hat den Hörer in die Gabel gehängt, seine Hand verweilt noch auf dem Gerät. Er muß sich zwingen. Hendrik Kruger hebt den Hörer wieder an, wählt die Nummer, sein Ohr: „Anna Teizler.“
„Guten Morgen, Frau Teizler, Kruger hier, ich müßte mal mit ihrem Mann sprechen.“
Anna am anderen Ende der Leitung weiß, daß sich Hendriks aufgesetztes Verhalten nur auf Tarnung begründet, die Lautsprechfunktion könnte eingeschaltet sein oder sonstwas, dennoch tut es ihr weh. Für freundliche Worte hat sie schließlich immer etwas übrig.
„Ja, einen Augenblick, Herr Kruger ... Ja, Teizler, Morgen Hendrik! Wie geht´s dir denn, Junge, hab gehört du bist schon wieder raus ausm Krankenhaus. So, und jetzt sag mal, was ist gestern abend mit dir passiert...?“
„Das kann ich Ihnen nicht so genau erklären...ich hatte, so sagte der Arzt, einen Nervenzusammenbruch.“
„Mensch Junge, so was kommt doch nicht aus heiterem Himmel“, Erwin wird hitzig, „wir mußten die Vorstellung gestern absagen. Kannst du dir vorstellen wie die Leute darauf reagiert haben? Mir ist in meinem Leben noch nie etwas so peinlich geblieben. Und Arthur war plötzlich auch spurlos verschwunden, an sein Handy ging keiner ran. Ich hab sogar noch `ne Kurznachricht geschickt - alles vergebens: Wir mußten die empörten Leute an die Kassen zurückschicken und als ob die Zeit rückwärts liefe, gaben sie die Eintrittskarte ab und bekamen Geld dafür in die Hand. Ihr seid mir ja echt `ne tolle Schauspielertruppe, Arthur hat sich bisher immer noch nicht gemeldet und morgen ist die nächste Aufführung. Verdammt nochmal, ihr wollt mich wohl um Kopf und Kragen bringen! ... Hendrik, du mußt einsehen, daß ich hier die Konsequenzen ziehen muß. Schauspieler, die mir kurz vor dem Aufgehen des Vorhangs mit Lampenfieber zusammenbrechen, kann ich nicht in der Hauptrolle lassen! Du brauchst den Apoll jedenfalls nicht mehr zu spielen. Das heißt nicht, daß ich dich im Schauspielhaus nicht mehr sehen will, aber diese Rolle ist einfach `ne Nummer zu groß für dich. Es ist wohl mein Fehler, daß ich das nicht erkannt habe. Hör zu, ich werd´ mir `was einfallen lassen, jetzt hab ich erst mal genug damit zu tun, die Vorstellung morgen über die Bühne zu kriegen. Ich meld´ mich wieder bei dir.“
„Gut, Herr Teizler.“
“Ja, tschö!”
Hendrik ist wieder alleine. Was soll er mit diesem sonnigen Samstag nur anfangen, es ist noch früh, gleich erst ein Uhr. Was Marlice jetzt wohl gerade unternimmt. Ob sie immer noch in diesem Café arbeitet? Er wird nicht nachschauen. Nichts weiß er von ihr, seit dem Tage, an dem sie plötzlich verschwunden war. Hendrik war im Skiurlaub, es war schön. Nun freute er sich darauf, Marlice alles zu erzählen - naja, vielleicht nicht alles, einen Kuß auf die großen Lippen wollte er ihr aufdrücken - bis sie daran erstickte. Sie war nicht da, als er die Wohnung aufschloß, er spürte etwas Unheilvolles, öffnete die Tür zu ihrem Zimmer: es war nackt, nur weiße Wände und ein leeres Regal.
Hendrik beschließt eine Expidition in den Tierpark zu unternehmen. Bei den Affen läßt es sich besser aushalten als bei den Menschen.

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