Als für Herrn Patlow die Welt aufhörte zu existieren

Wann Herr Patlow zum ersten Mal in seinem Leben einen weißen Fleck wahrgenommen hatte, daran konnte er sich nicht erinnern. Anfangs hatten ihn diese Erscheinungen auch noch keineswegs beunruhigt. Die weißen Flecke waren für ihn weit entfernt, eine Silhouette am Horizont. Doch jetzt kamen sie näher, ganz nah! Inzwischen hatte Herr Patlow regelrecht Angst davor, in diese Flecken hineinzustürzen. Er hatte lange gezögert, über sein Problem mit anderen zu sprechen. Es machte auch nicht viel Sinn, da die anderen seine Flecken offenbar gar nicht bemerkten. Die anderen konnten sogar in den Flecken verschwinden und wieder herauskommen. Und sie wußten nicht einmal, daß sie aus Herrn Patlows Sehfeld eine kurze Zeit verschwunden waren. Einmal, als Herrn Patlows Frau in einen Fleck gegangen war, rief er ihr nach: "Wo bist du jetzt, Schatz?" Aber es kam keine Antwort. Als sie wieder sichtbar war, fragte Herr Patlow:
"Sag, Schatz, wo bist du gewesen?"
"Ich bin doch hier. Du bist eigenartig in letzter Zeit."
Sie empfahl ihm schließlich, zum Arzt zu gehen. Keine leichte Sache, denn Herr Patlow mußte bestimmt hundertmal den Bürgersteig wechseln, um in keinen Fleck zu treten. Er hatte noch nie einen betreten oder berührt. Er befürchtete das Schlimmste, wenn er es je wagen sollte. Der Arzt hielt Herrn Patlow für verrückt und schrieb ihm eine Überweisung an den Psychotherapeuten. Aber weiße Kittel und lange weiße Flure waren jetzt das letzte, was Herr Patlow gebrauchen konnte.
Es wurde immer schwieriger mit der Zeit. Die Flecke breiteten sich aus wie eine Seuche. Ganze
Ortsviertel waren schon betroffen. Es war unmöglich geworden, irgendwohin zu gehen. Man konnte ja nie wissen, ob zwischen einem Selbst und dem Ziel nicht zufällig ein riesiger weißer Ozean ruhte. Schrecklich. Herr Patlow beschloß, zukünftig zu Hause zu bleiben.
Er schaute fern, als die Lampe anfing, sich in einem weißen Fleck aufzulösen. Es gab nur noch ihn, den Sessel, die Fernbedienung und den Fernseher vor ihm auf dem Tisch. Er zog die Füße hoch, denn das Weiß krabbelte jetzt den Sessel zu ihm rauf. Als er den Arm ausstreckte, um das Programm umzuschalten, verschwand seine Hand in dem milchigen Weiß. Es war geruchlos, formlos, körperlos, weiß. Es umspülte ihn schon bis zum Hals. Herr Patlow war jetzt ganz eingetaucht und alles alles war weiß. Hätte er noch Augen gehabt, dann hätte er jetzt sicher geweint. Aber so...

Lampenfieber

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