Frau im Weltraum

"Gehen Sie zurück auf ihre Station", sagte der Mensch, der mir meine Einsamkeit zuerst noch einsamer machen wollte. Also trottete ich zurück, aber nicht auf meine Station, sondern erstmal in meine Kabine, mich duschen. Auf der Erde hatte meine Dusche, mein Bad, keine Fenster gehabt. Hier im Weltraum besaß sie dagegen ein kleines Bullauge, das meistens schwarz gewesen war. Ich streifte diese Uniform ab und BH und Schlüpfer und sprang schnell unter das warme Wasser. Die Haare machte ich mir nicht naß. Schließlich riß ich dann noch die letzten Stunden auf der Station ab. Datenkram erledigen. Immer noch, nach wieviel Jahrhunderten? kamen einige Unteroffiziere nicht mit meiner Position hier klar. Am liebsten hätte ich sie manchmal in den Orbit gefeuert, aber das untersagten mir meine Dienstvorschriften.

Ob er noch kommen wird? Ich lese jetzt schon zum drittenmal im gleichen Buch, aber eigentlich les ich gar nicht, sondern warte nur auf ihn... meine Augen sind nun schon zum fünftenmal über denselben Satz geglitten, da klopft es endlich. Vielmehr ist es ein elektrisch erzeugter Ton. Ich lasse ihn rein, küsse ihn. Er hat sich zuletzt rasiert heute morgen, ich habe es gesehen, und jetzt kratzte er mich schon wieder im Gesicht.
"Du, es gibt Gerüchte...", sagt er mir.
"Was für Gerüchte?"
"Na, über uns. Ich glaube, sie riechen es langsam..."
"Ich glaube, du spinnst. Komm her", ich wollte ihn nochmal küssen, damit er aufhört, von Unmöglichkeiten zu reden. Diesmal hatte er angebissen, wir tapsten uns küssend durchs Zimmer bis zu meinem Bett.

Der Wecker ging um 5:20. Ich hab nie verstanden, warum man auch noch im Weltraum vor Sonnenaufgang rausmuß? Charles war wie immer blitzschnell angezogen. Die Uniform stand ihm wirklich ausgezeichnet.
"Das wird heute wieder ein langer Tag", sagte ich, ohne dich, dachte ich... "Gestern hatte ich endlich das Gespräch beim Captain."
"Und!", stürzte es aus ihm. „Wieso hast du davon denn nichts erzählt?“
"Weiß nicht, wollte noch darüber schlafen."
"Du meinst, mit mir darüber schlafen." Ich kicherte, denn er hatte ja gar nicht so unrecht damit.
"Eine Woche, Charles. Dann muß ich fort." Ich sah ihm ernst in seine braunen Augen. Er war bestürzt.
"Hast du denn nicht versucht..."
"Natürlich!"
"Hm."
"Es war nichts zu machen." In einer Woche würde ich mit dem Versorgungsschiff zur Erde mitfahren. Ohne meinen Charles. Es war auch besser so, wenn die Gerüchteküche eh schon am Brodeln war.
"Nach allem, was war, gehst du einfach so." Jetzt wurde Charles sarkastisch, wie ich fand.
"Glaubst du, es ist leicht für mich? Du, da gab es einfach nichts dran zu machen", log ich. "Die
Firmenleitung hat es von ganz oben beschlossen." Es war Zeit, daß endlich wieder etwas passierte in meinem Leben. Zwei Jahre auf einer Raumstation, das ist doch kein Leben für eine Frau von Welt! Wenn der arme Charles hier wüßte... Er hält sich wirklich für den einzigen. Ich muß einfach hier weg, bevor es unangenehme Verstrickungen gibt. Ich hasse Eifersuchtsszenen. Besser jetzt freiwillig als später gezwungenermaßen...
Wir gingen auf unsere Stationen. Ich arbeitete leitend im medizinischen Labor. Wir untersuchten extraterrestrische Mikroben und Algen, die wir vor einem Jahr auf Nelpa-5 gefunden hatten.

Das Versorgungsschiff kam, und Charlie verabschiedete sich vor den anderen in der Öffentlichkeit absichtlich teilnahmslos. Der Hurenbock, wovor hat er denn jetzt noch Angst? Daß ihm die Kollegen keinem Respekt zollen, dafür, daß er mich gekriegt hat? Er könnte ruhig ein bißchen mehr verstohlen prahlen, finde ich.

Auf dem Versorgungsschiff gibt es eine kleine Lounge, in die ich mich gleich am ersten Abend hin verirre. Und ich lerne prompt einen Captain dort kennen. Sein Schiff liegt auf Reparatur in den Raum-Docks und er macht jetzt Zwangsurlaub auf der Erde. Familie? Ja, eine Frau und eine Tochter. Sie leben auf der Mond-Alphabasis. Aber er will zuerst einmal zurück auf die Erde, ein bißchen surfen. Ja, das kann man auf Raumschiffen zugegebenermaßen schlecht, surfen gehen. Es ist spät geworden. Es schickt sich nicht, gleich am ersten Abend soviel zu plaudern, also verabschiede ich mich von meinem Captain und suche meine Kabine auf. Sie ist natürlich kleiner und spartanischer eingerichtet, als die auf unserem Forschungsschiff. Aber ich geb mich auch mit ner Nummer kleiner zufrieden. Und sie ist doch recht gemütlich, meine Kabine, für ein Versorgungsschiff!
Ich hab schon mein Nachthemd an, als es anklopft. Ich schaue zum LCD-Türspicker und spüre, wie ich rot werden. Nein Clara, jetzt nicht, ich schlucke, die Farbe runterschlucken, versuche es...
"Captain, was kann ich so spät noch für Sie tun?", versuche ich gelassen durch die Sprechanlage zu hauchen.
"Nun, mein Fräulein, häm, Verzeihung, meine Dame, ich hätte Ihnen da noch... einen kleinen
Schlummertrunk anzubieten", und er schwenkte, leicht verlegen, mit einer mattgrünen Cognac-Flasche.
"Gestatten Sie?"
"Ich muß mir was überziehen", sagte ich zu schnell. Ich griff mir den Bademantel und zog ihn über mein Nachthemd. Ich konnte gar nicht darüber nachdenken, was ich tat, ich drückte auf den Türöffner und ließ den Captain zu mir rein. Der Captain war wirklich ein Mensch von feinen Manieren. Mich so zu überfallen, mitten in der Nacht! Noch dazu hatten wir uns ja heute erst kennengelernt... Ich dachte an Charles und daran, daß wir erst letzte Nacht zum letztenmal, für immer? miteinander geschlafen hatten. Was war ich bloß für ein Flittchen. Jetzt, eine Nacht darauf, würde ich es mit diesem schmucken Captain hier tun...

Es gibt nicht viele Frauen im Weltraum, immer noch nicht, seit wieviel hundert Jahren? Aber diejenigen, die es gibt, kommen bestimmt auf ihre Kosten.

Keine Kommentare:

Lampenfieber

Rocknroll

Canadian Rye